
Redebeitrag des Bürgermeisters der Stadt Ludwigslust, Herr Reinhard Mach Foto: Elvira Grossert
Anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2016 erinnerten der Verein Mahn- und Gedenkstätten im Landkreis Ludwigslust-Parchim e. V. und die Stadt Ludwigslust mit mehreren Veranstaltungen an die Opfer der beispiellosen Gewaltherrschaft: an die Millionen jüdischen Menschen, an Sinti und Roma, an politisch Verfolgte, an Menschen des Widerstandes, an Kinder und Greise, an die Opfer der Todesmärsche in der Region, an die Häftlinge der KZ Boizenburg, Neustadt-Glewe, Düssin, Garlitz und Wöbbelin.
Als die Soldaten der Roten Armee das KZ Auschwitz am 27. Januar 1945 befreiten, existierte das KZ Wöbbelin noch nicht. Erst ab Mitte Februar wurde dieses Außenlager von KZ -Häftlingen des KZ Neuengamme an der Straße zwischen Ludwigslust und Wöbbelin errichtet. Dieses Lager wurde dann zwischen dem 13. und 26. April zum Auffanglager für Evakuierungstransporte aus mehreren Konzentrationslagern. Am Ende starben von den 5000 KZ-Häftlingen mehr als 1000 aufgrund der extremen Haftbedingungen, vor allem an Hunger, Krankheiten und wegen der mangelhaften Versorgung. Als die amerikanischen Soldaten das KZ Wöbbelin durch Zufall am 2. Mai entdeckten, fanden sie mehr als 500 Tote, auf dem Gelände achtlos liegen gelassen und in den Baracken. Auf Befehl der amerikanischen Militärbehörden musste die Bevölkerung von Ludwiglust und Umgebung die Toten bergen und am 7. Mai auf der zentralen Sichtachse zwischen Schloss und Stadtkirche in Einzelgräbern beerdigen.
Neugestaltung von Gedenkstätten durch den Verein Mahn- und Gedenkstätten im Landkreis und die Stadt Ludwigslust
An diesem Ort erinnerte der Bürgermeister Reinhard Mach an die Geschehnisse vor 71 Jahren und daran, dass 1951 auf Initiative ehemaliger KZ-Häftlinge wie Dr. Franz Unikower das Denkmal nach dem Entwurf des Ludwigsluster Malers und Bildhauers Herbert Bartholomäus aufgestellt wurde. 2015 hatte die Stadt mit Unterstützung des Vereins Mahn- und Gedenkstätten im Landkreis Ludwigslust-Parchim e. V. und finanzieller Zuwendung der Stiftung der Sparkasse Mecklenburg-Schwerin zwei Informationsstelen mit historischen Fotos von 1945 (Q. USHMM) und drei Klinkerpodeste mit Informationen aufstellen lassen. Während der anschließenden Veranstaltung im Rathaus informierten der Bürgermeister Reinhard Mach und die Leiterin der Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin über die weiteren Vorhaben zur Neugestaltung der Gedenkstätten „Die Schwurhand“ auf dem ev.-lutherischen Friedhof in Ludwigslust und bei den Massengräbern im Lüblower Wald. Aufgrund des aktuellen Forschungsstandes können an beiden Orten Gedenkanlagen mit Namenssteinen für die Opfer gestaltet werden. Die Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin haben vor einigen Jahren originale Listen aus dem KZ Wöbbelin, darunter auch mehrere Totenlisten, von Angehörigen der 82. US-Luftlandedivision und ehemaligen KZ-Häftlinge erhalten. Deshalb konnte die Datenbank aktualisiert und mit den Eintragungen im Kirchenbuch und anderen Quellen abgeglichen werden.
Ende April soll die Gedenkstätte Schwurhand fertig sein. An diesem Ort wurden 181 Menschen beerdigt, die nach der Befreiung an den Folgen der KZ-Haft in Krankenhäusern bzw. Lazaretten in Ludwigslust zwischen dem 4. Mai und 29. Juni 1945 gestorben sind.149 Namen von Opfern sind heute bekannt. Die Mecklenburger Künstlerin Dörte Michaelis hat die neue Gedenkanlage entworfen. Der Klinkerstein ist das verbindende Element an allen Gedenkorten und Ehrenfriedhöfen, die mit dem KZ Wöbbelin in Verbindung stehen. Deshalb wird es wie an der Gedenkstätte Am Bassin auch auf dem Friedhof und im Lüblower Wald Klinkerpodeste mit Informationstafeln geben. (Wer sich über die Entwürfe informieren will, kann zu den regulären Öffnungszeiten in den Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin Einsicht nehmen.)
Die Neugestaltung der Gedenkorte und auch die Filmprojekte wurden und können dank der finanziellen Zuwendung der Stiftung der Sparkasse Mecklenburg-Schwerin realisiert.
Erfolgreiches Schülerprojekt zur Regionalgeschichte
Fotos und Filmaufnahmen von der Beerdigung in Ludwigslust am 7. Mai 1945 verarbeiteten die Rastower Schüler in dem Dokumentarfilm „Spuren der Vergangenheit- Ludwigslust 1933 bis 1945“, denn die Ereignisse im April und Mai 1945 haben viele Menschen in der Region geprägt. Sie sind in den Gedanken der Menschen präsent und gehören zur Erinnerungskultur der Region. Dies beweist auch die große Resonanz auf den Film, der inzwischen 13-mal gezeigt wurde, zumeist im ausgebuchten Kino LUNA in Ludwiglust. Mehr als 1100 Gäste haben den Film bisher gesehen, auch im Rahmen des Gedenktages am 27. Januar, wo die Schüler über die Filmproduktion sprachen. Sie bedankten sich besonders bei den Zeitzeugen Dieter Ueltzen und Reinhard Heißner, aber auch beim Filmemacher Mirko Schütze von der Sophie Medienwerkstatt. Am Abend entwickelte sich eine anregende Diskussion mit den beiden Zeitzeugen, in der weitere Themen, wie die Opfer der Euthanasie und der Judenverfolgung in Ludwigslust, angesprochen wurden. Die Leiterin der Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin bittet um weitere Unterstützung bei der Aufarbeitung der Vergangenheit in der Region. Ludwigluster Gymnasiasten arbeiten seit Januar an Teil 2 der Filmdokumentation. Im Fokus stehen die Jahre 1927 bis 1937, der Aufstieg des Nationalsozialismus in Ludwigslust und in dem Zusammenhang die Vereinnahmung der Grabstätte Theodor Körners und seiner Familie in Wöbbelin zur Propagandastätte für Gauleiter Friedrich Hildebrandt.
Erinnerung darf nicht enden
Der Beigeordnete Andreas Neumann würdigte in seiner Gedenkrede die Bildungsarbeit der Vereins Mahn- und Gedenkstätten im Landkreis Ludwigslust-Parchim e. V. , insbesondere bei der Aufarbeitung der Geschichte, denn schon 1996 formulierte Roman Herzog: “ Die Erinnerung darf nicht enden; Sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen.[…] Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken , dem Gedanken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegen wirken“. Andreas Neumann betonte, dass dies gerade in der gegenwärtigen politischen Situation ein wichtiger Aspekt sei und eine engagierte Gedenkstättenarbeit erfordere, die auf Auseinandersetzung mit den Geschehnissen der Vergangenheit setzt. Denn eine Demokratie braucht mündige und engagierte Bürgerinnen und Bürger.