Internationale Begegnung der Generationen anlässlich des 69. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Wöbbelin

„Den Opfern ein Gesicht geben“

69 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wurde an die Geschehnisse und an das Leiden der Menschen erinnert und der Opfer in würdiger Form gedacht. Der Verein Mahn- und Gedenkstätten im Landkreis Ludwigslust- Parchim e. V. und der Förderverein der Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin e. V. luden vom 30. April bis zum 2. Mai 2014 zur Internationalen Begegnung der Generationen nach Wöbbelin und Ludwigslust ein.

Gespräche mit Zeitzeugen und Angehörigen

Bereits am 30. April gab es Begegnungen und Gespräche mit Schüler/innen der Regionalschulen Neustadt- Glewe, Rastow, Parchim, Hagenow, des Fridericianum sowie des Goethegymnasiums Ludwigslust und KZ-Überlebenden aus der Slowakei, Polen und den USA sowie dem Sohn des verstorbenen KZ-Überlebenden Rotko aus der Ukraine.
„Am zweiten Mai wurde ich zum zweiten Mal geboren“, bekannte der slowakische Architekturprofessor Peter Havaš gegenüber den Schülern der Regionalschule Rastow, als er seine Befreiung durch die amerikanische Armee am 2. Mai 1945 schilderte. Peter Havaš war mit neun Jahren der jüngste Häftling im KZ Wöbbelin.

Salomon Birenbaum aus den USA sowie Krystina Zajac, Barbara Piotrowska berichteten den Schülern der Goetheschule Parchim über ihren Leidensweg durch die Konzentrationslager und über den Todesmarsch in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges.

Sergej Rotko, aus der Ukraine, Sohn des Überlebenden des KZ Wöbbelin Nikolai N. Rotko sprach über das Schicksal seines 2010 verstorbenen Vaters, Nikolai N. Rotko und Janusz Kahl gehörten zu den Häftlingen, die bereits seit Februar bzw. März 1945 das Steinbarackenlager Wöbbelin aufbauen mussten.

1. Mai 2014 Gedenken am Ehrenfriedhof in Wöbbelin

Während der Gedenkfeier am Ehrenfriedhof der Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin wurde Peter Havaš, die Ehrenmitgliedschaft des Fördervereins der Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin e. V. verliehen. Außerdem übergaben Angehörige von KZ-Opfern aus Belgien und Polen der Gedenkstättenleiterin, Ramona Ramsenthaler, neu erschienene Bücher für die Bibliothek.

Schüler des Schulzentrums Stralendorf stellten nach der Gedenkfeier am Ehrenfriedhof in Wöbbelin ihr Projekt „Der KZ- Zug von Sülstorf – und die Geschichte einer Gedenkstätte den ausländischen Gästen vor. Es ist ein gemeinsames Vorhaben von Schüler/innen der 9. Klasse des Geschichtskurses, der Gemeinde Sülstorf mit dem Verein Mahn- und Gedenkstätten im Landkreis Ludwigslust-Parchim zur Neugestaltung der Erinnerungsstätte in Sülstorf.

Überlebende, Angehörige der KZ-Opfer aus den Niederlanden, Belgien, Polen, der Slowakei, Deutschland und der Ukraine mit Menschen aus der Region Ludwigslust aus besichtigten die Sonderausstellungen im Außenbereich des Museums und kamen miteinander ins Gespräch.

22 neue Namenssteine für Opfer des KZ Wöbbelin auf dem Gedenkplatz am ehemaligen Lagergelände

Nach dem Ökumenischen Gottesdienst in der Kirche Wöbbelin gedachten Wöbbeliner und ihre in- und ausländischen Gäste am ehemaligen Lagergelände an der B 106 der Befreiung des Konzentrationslagers am 2. Mai 1945 durch Angehörige der US-Army. Europaabgeordneter Werner Kuhn mahnte: „Damit niemand wieder sagen kann: Wir haben nichts gewusst’, erinnern wir uns: Hier, an der Straße zwischen Schwerin und Ludwigslust verhungerten Menschen vor aller Augen. … Wir wissen, was geschehen kann, wenn der Schlaf der Vernunft Ungeheuer hervorbringt.“
Rolf Christiansen, Landrat und Vereinsvorsitzender, sagte, dass „der Tod von Tausenden, das Leid der Überlebenden, die Qualen der Opfer“ unseren Auftrag begründen, „das Geschehene nicht zu vergessen und eine bessere Zukunft zu schaffen. Eine Zukunft, in der das Menschenrecht auf Leben nicht mit Füßen gestoßen wird. Wir, die Nachgeborenen, die Vertreter eines demokratischen Deutschlands, wir wollen und wir werden nicht zulassen, dass Unrecht und Gewalt, dass Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in unserem Land wieder eine Chance bekommen. Das ist eine bleibende moralische und politische Verpflichtung. Es darf nicht vergessen werden, dass man Menschen, die anders dachten, anders glaubten, anders handelten ausgrenzte, einsperrte und letztendlich vernichtete, ob durch Arbeit, Folter, Gaskammern oder wie hier an diesem Ort durch Verhungern.“

Mit der Gedenkveranstaltung wurde an alle Opfer der Konzentrationslager in der Region erinnert sowie an die vielen Opfer der Todesmärsche, die in den letzten Monaten und Tagen des Zweiten Weltkrieges quer durch Deutschland getrieben wurden. Zwischen Parchim, Schwerin und Ludwigslust endete der Marsch der Häftlinge der KZ Sachsenhausen und Ravensbrück. Trotz aller Bemühungen starben weiterhin viele ehemalige KZ-Häftlinge an den Folgen der KZ-Haft. Vom 10. Mai bis zum 18. Juni 1945 waren auch in den beiden Lazaretten in Lübtheen 22 Menschen, darunter elf Franzosen, fünf Holländer, zwei Spanier, zwei Belgier und zwei Italiener an den Folgen der KZ-Haft gestorben. Für diese 22 Menschen wurden 22 neue Namenssteine auf dem Gedenkplatz eingeweiht, der 2005/6 von der Mecklenburger Künstlerin Dörte Michaelis gestaltet wurde. Sie auch die neuen Namenssteine geschaffen. Schülerinnen der Regionalschule Rastow verlasen die Namen der Opfer und legten Rosen nieder an den neuen Namenssteinen.

Einer dieser Steine trägt den Namen Jans Zwinderman. Die Tochter, Alie Zwinderman, aus Holland erzählte die Geschichte ihres Vaters, der in Mecklenburg starb, ehe sie in Holland geboren wurde. Sie schilderte in ihrer Rede die Suche nach ihrem Vater und wie sie ihm durch seine Briefe, die er vor seiner Verhaftung seiner Frau geschrieben hatte, sehr nahe gekommen ist.

Mit einer Kranzniederlegung an der Gedenkstätte „Am Bassin“ ehrte auch der Ludwigsluster Bürgermeister Reinhard Mach im Beisein der Internationalen Gäste die 200 Opfer des KZ Wöbbelin, die zwischen Schloss und Stadtkirche am 7. Mai 1945 in Ludwigslust auf Befehl der amerikanischen Befreier beerdigt worden sind. Der Tag klang mit der Begegnung der Generationen in der Grundschule Wöbbelin aus. Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse stellten ihre Schule den Ehrengästen vor und ihr gemeinsames Projekt „Denk´ mal – Geschichte erfahren-Demokratie gestalten“.

Mehr als 345 Schülerinnen und Schüler hatten in diesen Tagen die Möglichkeit, mit den Überlebenden und den Angehörigen Gespräche zu führen, Geschichte wird gerade für Kinder und Jugendliche begreifbarer, wenn Augenzeugen davon zeugen. Für die Überlebenden ist es wertvoll zu sehen, wie sich Kinder und Jugendliche heute mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen.

Die Internationale Begegnung der Generationen wurde durch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Sparkasse Parchim-Lübz, den Landkreis Ludwigslust-Parchim und die Landeszentrale für politische Bildung M-V gefördert.